Immer wieder stellt sich die Frage, in welchen Fällen einem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht.
In § 312g BGB wird dem Verbraucher bei sogenannten „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“ und bei sogenannten „Fernabsatzverträgen“ ein Widerrufsrecht eingeräumt.
Das Widerrufsrecht wird also nur dem „Verbraucher“ eingeräumt, nicht auch Unternehmern.
Definition „Verbraucher“:
„Verbraucher“ ist nach der gesetzlichen Definition jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
Definition „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“:
Ein „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“ liegt nach der gesetzlichen Regelung des § 312b Abs.1 BGB z. B. dann vor, wenn ein Vertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Hierunter fällt z.B. das frühere Haustürgeschäft, wenn also Verträge in der Privatwohnung des Verbrauchers geschlossen werden.
Weitere situationsbedingte Merkmale für einen Vertrag, der als „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen“ gilt, ergeben sich aus § 312b Abs.1 Satz1 Nr. 2-4 BGB, der unten aufgeführt ist.
Definition „Fernabsatzvertrag“:
Daneben steht dem Verbraucher grundsätzlich bei sogenannten Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Der Vertrag muss dabei unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen sein. Dazu ist erforderlich, dass der Unternehmer ein entsprechend organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem bereithält. Hierunter fallen insbesondere Onlineshops.
Beiden Definitionen gemein ist, dass der Verbraucher einen Vertrag mit einem Unternehmer schließt. Ein Widerrufsrecht besteht somit nicht bei Verträgen z.B. nur zwischen Verbrauchern oder nur zwischen Unternehmern.
Ausnahmen vom Widerrufsrecht:
Es gibt eine ganze Latte an Ausnahmen, wann ein Widerrufsrecht nicht besteht. Diese Ausnahmen sind in § 312g Abs.2 BGB (der ebenfalls unten vollständig abgebildet ist) aufgelistet. Hierzu sei beispielhaft der Ausnahmetatbestand der Lieferung nach Kundenspezifikation zu nennen, wenn also die bestellte Ware aufgrund der Berücksichtigung der Wünsche des Verbrauchers hergestellt oder auf dessen persönliche Bedürfnisse zugeschnitten ist. Dies ist nachvollziehbar, könnte doch der Unternehmer bei einem Widerrufsrecht des Verbrauchers die Ware wohl kaum anderweitig veräußern.
Auch bei der Lieferung schnell verderblicher Ware besteht kein Widerrufsrecht. Auch dies ist nachvollziehbar.
Zudem besteht kein Widerrufsrecht beim Erwerb von Tickets für Konzert- oder Sportveranstaltungen. Hier wird die entsprechende Veranstaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden. Es wäre für den Unternehmer, der die Tickets verkauft, ein unkalkulierbares Risiko, könnte der Erwerber eines Tickets den Vertrag noch widerrufen (evtl. sogar noch kurz vor der Veranstaltung). Es würde unter Umständen schwierig werden, das Ticket dann noch anderweitig zu veräußern.
Die dargestellten Ausnahmen stellen nur einen Auszug dar, in welchen Fällen kein Widerrufsrecht besteht.
Fazit
Ob ein Widerrufsrecht besteht, ist zum einen situationsbedingt; zum anderen können auch Ausnahmetatbestände greifen, die ein Widerrufsrecht des Verbrauchers wegfallen lassen.
§ 312b Abs.1 Satz 1 BGB:
(1) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,
- die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,
- für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat,
- die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder
- die auf einem Ausflug geschlossen werden, der von dem Unternehmer oder mit seiner Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen.
§ 312c Abs.1 BGB
Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
§ 312g Abs.2 BGB
Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
- Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
- Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
- Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
- Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
- Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
- Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
- Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
- Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
- vorbehaltlich des Satzes 2 Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
- Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
- Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,
- Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
- notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nur, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers aus § 312d Absatz 2 gewahrt sind.
Die Ausnahme nach Satz 1 Nummer 9 gilt nicht für Verträge über Reiseleistungen nach § 651a, wenn diese außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, es sei denn, die mündlichen Verhandlungen, auf denen der Vertragsschluss beruht, sind auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden.
Anmerkung: Bitte beachten Sie, dass individuelle Anfragen über das am Ende des Rechtstipps von anwalt.de bereitgestellte Kontaktformular sowie individuelle Anfragen per Telefon oder per E-Mail nicht kostenlos beantwortet werden können. Sollten Sie also eine kostenlose Rechtsberatung wünschen, wird gebeten, von entsprechenden Anfragen abzusehen. Besten Dank für Ihr Verständnis!
Volker Blees
Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht